geänderte Steuerbescheide wegen zumutbarer Belastung

Was ist passiert?

Derzeit ergehen laufend geänderte Steuerbescheide. Den Erläuterungen ist meist der folgende oder ähnlich gefasste Hinweise zu entnehmen: “Die Berechnung der zumutbaren Belastung erfolgte stufenweise entsprechend dem BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 (VI R 75/14).“ Was bedeutet das?

Bisherige Berechnung

Bislang gingen Finanzverwaltung und Rechtsprechung davon aus, dass sich die Höhe der zumutbaren Belastung einheitlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet. Danach war der höhere Prozentsatz auf den gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte anzuwenden.

§ 33 Abs. 2 EStG i.d.F. 17.08.2017

§ 33 Abs. 2 EStG i.d.F. 17.08.2017

Beispiel für die zumutbare Eigenbelastung nach bisheriger Berechnung (Staffeltarif)

S ist unverheiratet und kinderlos. Für 2015 beträgt sein Gesamtbetrag der Einkünfte 41.000 €. Bei S ist als Lediger die Grundtabelle anzuwenden. Da er keine Kinder hat, ergibt sich für ihn bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte i. H. v. 41.000 € ein Prozentsatz von 6 %. Hieraus errechnet sich schließlich eine zumutbare Belastung von 2.460 € (6 % von 41.000 €).

Neue Auffassung

Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof mit Urteil VI R 75/14 vom 19.1.2017 entschieden, dass nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Stufengrenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet werden darf. Die neue Berechnung vermeidet Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzverwaltung entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.

Beispiel für die zumutbare Eigenbelastung nach neuer Auffassung (Stufentarif)

S ist unverheiratet und kinderlos. Für 2017 beträgt sein Gesamtbetrag der Einkünfte 41.000 €. Bei S ist als Lediger die Grundtabelle anzuwenden. Da er keine Kinder hat, ergibt sich für ihn bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte i. H. v. 41.000 € folgende zumutbare Belastung:

  • bis 15.340 € ein Teilbetrag i. H. v. 767 € (= 15.340 € * 5%)

  • für den Betrag über 15.340 € (= 25.660 €) ein Teilbetrag i. H. v. 1.540 € (= 25.660 € * 6%)

In Summe ergibt das eine zumutbare Belastung i. H. v. 2.307 €.

Ist das von Vorteil?

Grundsätzlich ja, denn bei einer geringeren zumutbaren Belastung verbleibt ein höherer Ansatz an außergewöhnlichen Belastungen, die das zu versteuernde Einkommen mindern können. Es können sich somit Steuererstattungen ergeben.

Es kann aber auch sein, dass die zumutbare Belastung auch weiterhin nicht überschritten wird. Dann würde sich keine Änderung ergeben.

Muss ich etwas tun?

Das Bundesfinanzministerium hat sich der Auffassung des BFH mit Schreiben vom 1.6.2017 angeschlossen. Die stufenweise Berechnung ist damit auf alle noch offenen Einkommensteuerfälle anzuwenden.

Offen ist der Einkommensteuerfall z.B. durch einen entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk in den Steuerbescheiden. Da die Unklarheit der Rechtslage durch das Urteil des Bundesfinanzhofes beseitigt wurde, ergehen die geänderten Bescheide von Amts wegen, soweit eine Änderung notwendig ist. Ein gesonderter Antrag ist hierfür grundsätzlich nicht erforderlich.

Allgemeiner Hinweis

Es kann sinnvoll sein, die Bezahlung von Rechnungen oder etwaigen Aufwand, bspw. die erforderliche Anschaffung einer neuen Brille, in das Folgejahr zu verschieben. Durch die Bündelung der Kosten wird ggf. erreicht, dass die zumutbare Belastung überschritten wird.